Solidarität International     Nr. 1 / 2005

 

Interview mit    Jack Kaniki 

 Jack, du bist zur Zeit untergetaucht. Warum versteckst du dich, was ist da passiert?

 Ich verstecke mich, weil ich Angst habe, in mein Land Kongo abgescho­ben zu werden. Am 26. August 2004 war es, da haben mich die deutschen Polizisten verhaftet, während ich auf Arbeit mit dem LKW fuhr. Ich wurde wie ein Hund festgenommen, wie ein Krimi­neller, denn ich hatte überhaupt keine Aufforderung bekommen, Deutschland zu verlassen, ich hatte nicht einmal die Antwort des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2004 auf meinen Asylfolgean­trag erhalten. Das war nicht Demokra­tie, sondern Undemokratie.

Solange in meinem Land nicht De­mokratie hergestellt ist, so lange die Un­terdrücker im Kongo herrschen, so lan­ge die freie Meinungsäußerung nicht geduldet wird, so lange die Regierungs­gegner noch wegen ihrer politischen Meinung oder anderer Dinge in den Gefängnissen sind, so lange freie und transparente Wahlen nicht verwirklicht sind um festzulegen, wer die politische Klasse des Landes wird, so lange will ich noch nicht zurückkehren, weil ich dann in größter Lebensgefahr bin. Habe ich nicht das Recht wie alle zu leben und meine Meinung zu sagen wie ich will? 

 Was für Erfahrungen hast du persönlich mit den deutschen Behörden gemacht? 

Eine schlechte. Ich habe festge­stellt, dass in Deutschland Demokra­tie herrscht, aber nur auf dem Papier. Könnt Ihr Euch vorstellen: Jemand, der 12 ½ Jahre hier wohnt, soll in sein Land abgeschoben werden, ohne jede Vor­ankündigung, ohne schriftliche Mittei­lung? Auch ein Asylant ist ein Mensch!

Was ich während meiner willkürli­chen Festsetzung im Mannheimer Ge­fängnis gesehen habe, wird mir unver­gesslich bleiben; Ich habe die Leute gesehen, die verhaftet werden, obwohl sie gar kein Verbrechen begangen ha­ben, und die mehr als 48 Stunden ohne richterlichen Beschluss festgehalten wurden, was nach deutschem Gesetz gar nicht erlaubt ist. Ich betrachte das als Verbrechen gegen die Menschen­rechte, denn man kann jemanden nicht einfach so für mehr als 48 Stunden in eine kleine Zelle oder ein Gefängnis ste­cken, ohne dass er ein Verbrechen be­gangen hat.

 Siehst du dich nur als kongolesischen Landsmann, oder fühlst du dich auch zur Bevölkerung in Deutschland zugehörig, mit all ihren Kämpfen gegen die soziale Demontage, gegen Kündigungen etc?

 Ich betrachte mich als Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Ich engagiere mich für politische, soziale und ökonomische Verbesserungen für ein Volk, das seit mehr als 32 Jahren ver­letzt wird. Ich bin überzeugt, dass die Arbeit, die ich hier mache, bei unserem Volk eine Veränderung herbei führen wird. Wir wollen unserem Volk helfen zu verstehen, wie es seine Rechte verteidi­gen kann, wie es für Arbeitsplätze kämp­fen oder selbst welche schaffen kann.

 Warum macht deiner Meinung nach die Europäische Union zur Zeit diese Politik der massiven Abschiebungen?  

Ich denke, die EU macht diese Po­litik der massiven Abschiebungen, weil die Leute denken, dass die Ausländer nur da wären, um ihnen ihre Arbeits­plätze wegzunehmen. Wenn man die Wirklichkeit sieht, dann ist das gar nicht der Fall, die Ausländer machen eine Ar­beit dritter Klasse, eine Arbeit, die die Deutschen oder die Europäer gar nicht machen. Ich denke, es sind die Ultra­rechten mit ihrer Demagogie, die hin­ter dieser unmenschlichen und barbari­schen Politik stecken, sie wollen vor den Wahlen für sich Punkte sammeln – ob­wohl es für die Wahlkampagnen doch andere interessante Themen gibt, da braucht man doch nicht im Interesse ih­rer politischen Karriere das Leben von Tausenden von Menschen benutzen.

 Wenn du hier bleiben willst, denkst du, dass eine Arbeit zu haben, eine Familie zu gründen, vielleicht Unterstützung an Deine Familie in der Heimat zu schicken, dich ganz vereinnahmen wird, oder willst du trotzdem teilnehmen können am Kampf des Volkes in Deinem Land für eine lebenswerte Zukunft?

 Ich denke, ich werde auch an diesem Kampf für eine lebenswerte Zukunft in meinem Land teilnehmen können, denn in meinen Augen liegt die Zukunft mei­nes Landes auch in unseren eigenen Händen, in den Händen der Kongole­sen, wir müssen aufstehen und auf al­len Gebieten stark arbeiten, wie z. B. für unsere politischen, sozialen, ökono­mischen und kulturellen Interessen, vor allem in sozialen Organisationen.

 Kannst du dir vorstellen, in SI oder anderswo an einer internationalen, gegenseitigen und gleichberechtigten Solidarität teilzunehmen? Wenn ja, was für Ideen hast du dazu?

 Ja, ich kann mir vorstellen daran teilzunehmen oder in SI zu arbeiten, im Namen Solidarität International ist ja auch die Kraft jedes nationalen Volkes enthalten. Wenn wir den Menschen ver­schiedenster Nationalität helfen wol­len, dann ist das möglich, wenn wir mit den Leuten dieser Länder zusammen ar­beiten, denn sie selbst kennen ihr Pro­blem oder wissen, wie sie ihre Lands­leute überzeugen können, wenn es um Demonstrationen und Verhinderung von Abschiebung oder um die Vertei­digung der Leute gegen die Verletzung der Menschenrechte in ihren Herkunfts­ländern geht.

Ich persönlich informiere über die Verletzung der Menschenrechte, die in meinem Land stattfinden, z. B. samm­le ich Informationen über die willkürli­chen Verhaftungen von Journalisten, über die Meinungsfreiheit für das Volk, über die Freiheit politischen Handelns, kurz, zur Errichtung der wirklichen De­mokratie auf dem gesamten Gebiet des Kongo.

Was SI damit zu tun haben kann, so meine ich

    1. Wir können den Informationsaustausch zwischen dem armen und dem reichen Land verbessern

2. wenn möglich mit Korresponden­ten, damit sie uns direkt genaue und konkrete Informationen geben können, und zwar gegenseitig

3. Viele Leute ansprechen, über Kon­ferenzen, Demonstrationen, Konzerte, damit die Leute die Bedeutung erken­nen, warum wir darum kämpfen Men­schenleben zu retten, und zu erklären, was SI macht.

 Vielen Dank für das Gespräch, Jack!